Querschnittsthemen: Sehr wichtig und für alle gleich bedeutend.
Um den Wandel zu einem produktzentrischen Wirtschaftssystem erfolgreich zu gestalten, müssen neben den spezifischen Maßnahmen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene auch übergreifende Themen adressiert werden. Diese Querschnittsthemen durchdringen alle Ebenen und Bereiche des Transformationsprozesses und sind entscheidend für seinen Erfolg.
Kultureller Wandel
Vision: Eine gesellschaftliche Kultur, die Qualität über Quantität stellt, langfristiges Denken honoriert und in der Reparieren, Wiederverwenden und sorgfältiger Umgang mit Produkten als selbstverständlich und erstrebenswert gelten.
Bedeutung für das produktzentrische Wirtschaftssystem:
Der Übergang zu einem produktzentrischen Wirtschaftssystem erfordert mehr als nur regulatorische Änderungen oder technologische Innovationen – er braucht einen tiefgreifenden kulturellen Wandel in Unternehmen, Institutionen und der Gesellschaft insgesamt. Nur wenn das Bewusstsein für den Wert langlebiger, hochwertiger Produkte in der Bevölkerung verankert ist, können die strukturellen Veränderungen ihre volle Wirkung entfalten.
Strategische Ansätze:
- Narrative und Vorbilder: Entwicklung und Verbreitung positiver Erzählungen über produktzentrisches Wirtschaften und Hervorhebung von Vorbildern und Pionieren.
- Bildung und Bewusstseinsbildung: Integration von Themen wie Produktlebenszyklus, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft in alle Bildungsebenen.
- Experimentierräume schaffen: Förderung lokaler Initiativen wie Repair-Cafés, Makerspaces und gemeinschaftliche Nutzungsmodelle als Keimzellen einer neuen Produktkultur.
- Dialogformate: Organisation breit angelegter gesellschaftlicher Diskussionen über zukunftsfähiges Wirtschaften und Konsumieren.
- Mediale Präsenz: Zusammenarbeit mit Medien zur Sensibilisierung für die Vorteile langlebiger Produkte und die Herausforderungen des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells.
Erfolgsfaktoren:
Die Förderung einer Kultur der Langlebigkeit und Qualität muss authentisch sein und an bestehende gesellschaftliche Werte und Traditionen anknüpfen. Sie darf nicht als aufgezwungen oder elitär wahrgenommen werden, sondern muss die Vorteile für verschiedene Bevölkerungsgruppen klar vermitteln.
Neue Messbarkeitskonzepte
Vision: Ein differenziertes System von Indikatoren, das über das BIP hinausgeht und den Erfolg wirtschaftlichen Handelns an seinem tatsächlichen Beitrag zu gesellschaftlichem Wohlstand, ökologischer Nachhaltigkeit und langfristiger Resilienz misst.
Bedeutung für das produktzentrische Wirtschaftssystem:
„What gets measured gets managed“ – solange der wirtschaftliche Erfolg primär an kurzfristigen Wachstumsindikatoren gemessen wird, werden auch die Anreize für Unternehmen, Politik und Gesellschaft entsprechend ausgerichtet sein. Neue Messkonzepte sind daher unverzichtbar, um den Fortschritt in Richtung eines produktzentrischen Wirtschaftssystems zu erfassen und zu steuern.
Strategische Ansätze:
- Produktlebensdauer-Index: Entwicklung und regelmäßige Erhebung eines Indikators für die tatsächliche Nutzungsdauer verschiedener Produktkategorien.
- Ressourcenproduktivität: Messung des wirtschaftlichen Outputs pro eingesetzter Ressourcenmenge als Schlüsselindikator für eine entkoppelte Wirtschaft.
- Reparaturquote: Erfassung des Anteils reparierter Produkte im Verhältnis zu Neuanschaffungen als Indikator für die Kreislaufführung.
- Wohlstandsindikatoren jenseits des BIP: Integration von Faktoren wie Zeitwohlstand, Gesundheit, Bildung und Umweltqualität in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.
- Produktqualitätsindex: Entwicklung eines mehrdimensionalen Indikators für die Bewertung der Qualität von Produkten entlang ihres gesamten Lebenszyklus.
Erfolgsfaktoren:
Die neuen Messkonzepte müssen wissenschaftlich fundiert, praktikabel in der Erhebung und verständlich in der Kommunikation sein. Ihre Implementierung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen statistischen Ämtern, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Partizipation
Vision: Eine lebendige Mitwirkungskultur, in der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und andere Stakeholder aktiv an der Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und wirtschaftlichen Strukturen beteiligt sind und dadurch Akzeptanz, Identifikation und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Bedeutung für das produktzentrische Wirtschaftssystem:
Die Transformation zu einem produktzentrischen Wirtschaftssystem kann nur gelingen, wenn sie von breiten Teilen der Gesellschaft mitgetragen und mitgestaltet wird. Partizipative Ansätze stärken nicht nur die demokratische Legitimation des Wandels, sondern erschließen auch vielfältige Perspektiven und Wissensquellen für bessere Lösungen.
Strategische Ansätze:
- Multi-Stakeholder-Produktentwicklung: Einbeziehung von Nutzern, Reparateuren und anderen Stakeholdern in Designprozesse für verbesserte Langlebigkeit und Nutzungsqualität.
- Bürgerräte für produktzentrischen Wandel: Etablierung deliberativer Formate zur Mitgestaltung von Rahmenbedingungen und Prioritäten der Transformation.
- Offene Innovationsökosysteme: Schaffung von Plattformen und Prozessen für kollaborative Innovation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren.
- Transparente Entscheidungsprozesse: Öffnung von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen für Feedback und Mitgestaltung durch betroffene Stakeholder.
- Kooperative Wirtschaftsmodelle: Förderung von Genossenschaften, Gemeinwohlunternehmen und anderen partizipativen Wirtschaftsformen als Treiber des produktzentrischen Wandels.
Erfolgsfaktoren:
Erfolgreiche Partizipation erfordert klare Regeln, aufrichtige Beteiligungsangebote mit tatsächlichem Gestaltungsspielraum und eine sorgfältige Moderation, die unterschiedliche Perspektiven einbezieht und konstruktive Lösungsfindung ermöglicht.
Technologische Souveränität
Vision: Ein Europa, das die technologischen Schlüsselkompetenzen für eine produktzentrische Wirtschaft beherrscht, unabhängig in strategisch wichtigen Bereichen agieren kann und gleichzeitig offen für internationale Kooperation und Innovation bleibt.
Bedeutung für das produktzentrische Wirtschaftssystem:
Die Kontrolle über zentrale Technologien und die Fähigkeit, eigene technologische Lösungen zu entwickeln, sind entscheidend für die Umsetzung des produktzentrischen Wirtschaftssystems in einer zunehmend digitalisierten und technologiegetriebenen Welt. Ohne technologische Souveränität droht die Abhängigkeit von externen Akteuren, die möglicherweise andere Prioritäten verfolgen.
Strategische Ansätze:
- Strategische Technologiefelder identifizieren: Systematische Analyse und Priorisierung von Technologiebereichen, die für das produktzentrische Wirtschaftssystem besonders relevant sind.
- Europäische Basistechnologien: Gezielte Förderung von Forschung, Entwicklung und Produktion in Schlüsselbereichen wie Mikroelektronik, Quantencomputing, KI, Batterietechnologie und fortschrittliche Materialien.
- Digitale Infrastruktur und Standards: Aufbau unabhängiger digitaler Infrastrukturen und aktive Mitgestaltung internationaler Standards.
- Open Source und Open Innovation: Nutzung offener Innovationsansätze zur Beschleunigung der technologischen Entwicklung und Verringerung von Abhängigkeiten.
- Technologische Bildungsoffensive: Systematische Stärkung der Bildung in MINT-Fächern und zukunftsorientierten Technologiefeldern auf allen Ebenen.
Erfolgsfaktoren:
Technologische Souveränität darf nicht in technologischen Protektionismus oder Isolation münden. Entscheidend ist die Balance zwischen eigenständigen Fähigkeiten in strategischen Bereichen und der Offenheit für internationale Zusammenarbeit und Wettbewerb als Innovationstreiber.
Anregungen & Mitarbeit
EU-United ist ein offenes Projekt zur Entwicklung eines produktzentrierten Wirtschaftssystems in Europa. Wir freuen uns über Anregungen, konstruktive Diskussionen und aktive Mitgestaltung.
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